Da in letzter Zeit das Thema Scheibenbremse am Tandem immer wieder diskutiert wurde, wurde eine extra Seite zu diesem Thema entworfen.
Bei allen Scheibenbremsen gleich, werden auf beiden Seiten der Bremscheibe Bremsbeläge angepreßt. Die Beläge sitzen in einem Bremskörper, der am Rahmen oder der Gabel befestigt ist. Mittels Hydraulik oder Seilzug werden der/die Bremskolben an die Bremsscheibe gepreßt. Die so erzeugten Reibkräfte wirken über die Scheibe, die an der Nabe angeflanscht ist, und die Speichen als Bremskräfte.
Prinzipiell lassen sich mit einer Scheibenbremse nicht größere Bremskräfte übertragen, als mit einer Felgenbremse. Die maximal übertragbare Bremskraft hängt von der Kombination Untergrund-Reifen ab. Im Allgemeinen sind aber geringer Handkräfte nötig wie bei Felgenbremsen. Man sagt die Bremse wird "bissiger". Die geringeren Handkräfte sind vor allem bei langen Abfahrten sehr angenehm und ermöglichen es auch Nichtfreeclimbern ohne Probleme lange Abfahrten zu bewältigen.
Im Gegensatz zur Felgenbremse müssen die Speichen nicht nur die Übertragung der Antriebskräfte, sondern auch die der Bremskräfte übernehmen. Das muß beim Aufbau eines Rades für Scheibenbremsen berücksichtigt werden.D.h. nach Möglichkeit vierfach gekreuzt, DD-Speichen mit Messingnippeln und ganz besonders wichtig, eine gleichmäßige recht hohe Speichenspannung. DT-Swiss schreibt eine Speichenspannung von 1000-1200 N/Speiche vor!
Außerdem werden der Rahmen und die Gabel höheren Belastungen ausgesetzt. Beim Tandem ist vor allem die Gabel gefährdet! Bei Federgabeln sollten nur Doppelbrückengabeln mit Stahlschaft verwendet werden (hier kann dann der Rahmen bei ungenügender Festigkeit nachgeben!) von der Verwendung von Starrgabeln wird grundsätzlich abgeraten!
Wer dennoch eine Starrgabel verwendet sollte regelmäßig den Radstand vermessen. Verändert er sich, muß die Gabel sofort gewechselt werden! Bruchgefahr!!!!
Scheibenbremsen können nach folgenden Kriterien unterschieden werden:
mechanisch mittels Bowdenzug. Dabei wird ein V-Brake-Bremshebel, verwendet. Diese Bremsen können meist sehr leicht gebaut werden und finden entweder bei Einsteigermodellen oder bei Bremsen für den CC-Einsatz am MTB Verwendung.
Die Vorteile sind der günstige Preis und das geringe Gewicht. Sie könnten mit Rennradbremsgriffen betätigt werden.
Die Nachteile sind die mäßige Dossierbarkeit aufgrund der Mechanik und der Reibung der Züge in den Hüllen, sowie für ein Tandem zu geringe Bremskräfte.
Vertreter dieses Typs gibt es bei: Formula, Hope, AMP
hydraulisch durch Bremsflüssigkeit oder Öl. Bei hydraulischen Bremsen werden Bremshebel und Bremssattel aufeinander abgestimmt und sind nicht mit anderen Systemen kompatibel! Die Konstruktion ist aufwendiger und daher teurer als bei den mechanischen Systemen. Diese hydraulische Scheibenbremsen weren vor allem an DH-Rädern, Tandems und Fullsuspension MTBs verwendet.
Ein weiteres Merkmal ist die Verwendung eines Ausgleichsbehälters, dieser kompensiert die Ausdehnung der Bremsflüssigkeit durch die beim Bremsen entstehende Wärme. Ist kein oder ein zu kleiner Ausgleichsbehälter vorhanden, so kann die Bremse bei langen Bergabfahrten blockieren. Einige Bremsen sind deshalb mit einer sogenannten Druckpunktverstellung ausgestattet z.B. HOPE DB 101, mit der der Belagverschleiß aber auch die Volumenvergrößerung manuell reguliert wird.
Andere System wie Magura Gusta M. oder Formula haben Ausgleichsbehälter, die sowohl den Belagverschleiß wie auch die Ausdehnng automatisch ausgleichen.
Die Vorteile der hydraulischen Bremse sind die sehr gute Dossierbarkeit, daß sie nahezu wartungsfrei sind und sehr große Bremskräfte erzeugen können .
Der Nachteil sind der höhere Preis im Vergleich zu anderen Bremsen, das höhere Gewicht sowie Nichtkompatibilität mit anderen Herstellern (Ausnahme: die Bremsscheibe)
Vertreter dieses Typs gibt es bei: Formula, Magura, Hope, Shimano (ab 2000), Hayes
Schwimmsattel, der Bremssattel ist beweglich gelagert, die Scheibe ist fest. Der innere Belag ist fest mit dem Sattel verbunden, der äußere ist auf dem Bremskolben befestigt. Beim Betätigen der Bremse zieht der Bremskolben den Bremssattel auf die Scheibe und beide Bremsbeläge liegen auf.
Vorteile sind die einfache Montage und die flache Bauart, da nur Kolben auf der Außenseite benötigt werden.
Nachteil ist ein Schleifgeräusch, weil der feste Bremsbelag immer an der Scheibe anliegt.
Vertreter dieses Typs ist die Magura Gustav M.
Schwimmscheibe, bei dieser Bauart ist die Scheibe beweglich gelagert. Der Bremssattel kann mit ein oder zweiseitiger Betätigung ausgeführt sein.
Vorteil ist die einfache Montage
Nachteil ist das Ausschlagen der Scheibenbefestigung und ein damit verbundenes Klappern, das aber keine Funktionseinschränkung zur Folge hat!
Verteter dieses Typs ist die Formula Bremsscheibe
Festscheibe und Festsattel, bei dieser Bauart ist weder die Scheibe noch der Sattel beweglich gelagert. Die Bremse ist meist mit zweiseitiger Betätigung (Ausnahme: Magura Louise).
Vorteil ist das vollkommene Abheben der Beläge von der Scheibe, wenn nicht gebremst wird.
Nachteil ist das oft recht zeitaufwendige exakte Ausrichten von Bremssattel zu Bremsscheibe. Außerdem kann es zu starkem Schleifen der Scheibe an den Belägen kommen, wenn die Scheibe durch Hitze wellig wird.
Vertreter dieses Typs sind die Hope Bremsen und die Magura Louise
Außerdem kann noch zwischen Einkolben und Doppelkolben, sowie Ein- und Doppelscheiben Bremse unterschieden werden. Bei der Doppelkolbenbremse erzeugen zwei Kolben pro Seite die Bremskraft. Dies führt wegen des größeren effektiven Durchmessers, bei gleicher Bremsfläche wie bei der Einkolbenbremse, zu einer größeren Bremskraft.
Bei der Doppelscheibenbremse wird das gleiche durch eine zweite Bremsanlage auf der anderen Nabenseite erreicht. Zusätzlich wird die Bremse robuster gegen überhitzen, da die doppelte Wärmemenge wie bei einer Einscheibenbremse aufgenommen werden kann. Außerdem wird der Gabelshaft nur noch auf Biegung und nicht mehr zusätzlich auf Torsion belastet, da beide Gabelscheiden gleichmäßig belastet werden.
Oft wird Bremskraft und Bremsleistung als Synonym verwendet, das ist falsch!
Die Bremskraft ist nur von der Reibung abhängig, die zwischen Belag und Scheibe erzeugt werden kann. Sie ist abhängig von der Reibpaarung Belag/Scheibe und dem Übersetzungsverhältnis Geberkolben im Bremsgriff und Nehmerkolben im Bremssattel.
Die Bremsleistung ist ein Maß für die Hitztebeständigkeit der Bremse. Also, wieviel Wärme kann die Bremse in einer bestimmten Zeit aufnehmen.
Beim Bremsen wird immer, egal welche Bauart, Bewegungsenergie mit Hilfe von Reibung in Wärme umgesetzt. Diese Wärme muß von den am Bremsen beteiligten Bauteilen aufgenommen werden. Das funktioniert so lange, bis eines der Bauteile durch die Hitze seine Funktion nicht mehr erfüllen kann und dadurch die ganze Bremse versagt. Hier gilt mal wieder das Prinzip des schwächsten Gliedes einer Kette!
Bei einer Felgenbremse wäre das entweder das Schmelzen der Bremsklötze oder das Platzen des Fahrradschlauches. Bei einer Scheibenbremse wäre das entweder Bremsfading (die Beläge werden so heiß, daß sich der Reibwert verändert und die Bremskraft praktisch null wird). Bei hydraulischen Scheibenbremsen kann sich die Bremsflüssigkeit ausdehnen und zu einem Blockieren der Bremse führen (Bremsen mit zu kleinem oder ohne Ausgleichsbehälter) oder die Bremsflüssigkeit bildet Dampfblasen wodurch keine großen Bremskräfte mehr erzeugt werden können.
Nach meiner eigenen Erfahrung sind die Betriebsgrenzen der Scheibenbremsen und die der Felgenbremsen in etwa gleich. Vorteil der Scheibenbremse, das Tandem bleibt manövrierfähig, da keine tragenden Teile (Mäntel, Schläuche) versagen.
Im Gegensatz zur Arai Trommelbremse, wie sie von vielen Tandemfahrern als "speedbbrake" bei langen Bergfahrten verwendet wird, muß mit der Scheibenbremse anders gebremst werden! Im Gegensatz zu unseren motorisierten Mitbewerbern um die Hoheit der Straße, kann keine Motorbremse eingesetzt werden. Die gesamte Bewegungsenergie muß also von der Bremse vernichtet werden!
Um der Bremse so viel Zeit wie möglich zum Abkühlen zu geben, sollte in harten Intervalbremsungen die Geschwindigkeit reduziert werden. Also aus hoher Geschwindigkeit schnell bis auf eine geringe Geschwindigkeit abbremsen und dann die Bremsen wieder komplett öffnen!
Bei der Wahl der Bremsscheibe sollte immer der größtmögliche Durchmesser gewählt werden! Das sind normalerweise ca. 180 mm (Ausnahme: Santana 203mm). Normalerweise ist die Montage an der Gabel kein Problem, sofern diese über die passenden Anschlüsse verfügt (auf den Befestigungsstandard achten!).
Schwieriger wird es am Hinterbau. Entweder weil dieser nicht über Anlötteile für die Montage verfügt, die Position für 160mm Scheiben gedacht ist (z.B.Cannondale, beim Tandem werden die gleichen Ausfallenden wie beim Solo verwendet) oder weil der Hinterbau nicht breit genug ist. Dann kann die Scheibe an der Kettenstrebe schleifen! Leider hilft in diesen Fällen meist nur selbermachen. Anders als bei der Gabel ist es am Hinterbau möglich einen anschraubbaren Adapter sicher zu befestigen.
Einfacher ist es oft, wenn die Anlötteile nicht für eine große Scheibe passen. Einige Hersteller bieten Adapter für den Hintebau an, um eine größere Scheibe verwenden zu können.
Vor allem der Anbau der hinteren Bremse geht nicht ohne die Leitung zu öffnen, d.h. daß unter Umständen der Garantieanspruch erlöschen kann. Shimano bietet aus dem Grund auch keine überlangen Leitungen an, um eine Verwendung als Tandembremse zu verhindern (Stand: Herbst `99). Die meisten Hersteller geben ihre Bremsen nicht offiziell für den Tandembetrieb frei (Ausnahme: Magura Gustav M. ab Baujahr `99 mit Stahlscheibe).
Die nachfolgende Liste sind einige Links, die sich mit dem Thema Scheibenbremsen am Fahrrad/Tandem befassen.
http://www.cannondale.com/tech/98compat.html
http://www.codausa.com/products/coda-Brakes.html
http://www.exploratorium.edu/cycling/brakes2.html
http://www.formula-brake.it
http://www.hayesbrake.com/hayes_disc.html
http://www.hope-tech.com
http://www.mtbr.com/reviews/Brake_System_name.html
Stand: November 1999; Anregungen und Komentare an: webmaster@bikepage.de